Umspannwerk Sarasdorf: Archäologie-Hotspot im APG-Netz
Megabaustelle mit archäologischen Erkenntnissen: Im Umspannwerk Sarasdorf wird Elektrizität aus Wind- und Photovoltaikanlagen in das überregionale Stromnetz der APG eingespeist und bei Bedarf österreichweit verteilt. Damit diese Verteilung auch in Zukunft gut funktioniert – es kommen nämlich immer neue Anlagen dazu – wird das Umspannwerk bis zum Jahr 2029 ausgebaut. Im Zuge der Bauarbeiten wurden zahlreiche archäologische Artefakte gefunden. Darunter ein gut 4.000 Jahre alter Henkelkrug.
Archäologie am Umspannwerk
Erweiterung des Umspannwerks führt zu neuen archäologischen Erkenntnissen
Das Umspannwerk Sarasdorf liegt an einem Ort, an dem seit 2006 viele archäologische Strukturen aus unterschiedlichen Zeitabschnitten entdeckt wurden, da vor den Bau- und Erweiterungsarbeiten immer auch archäologische Untersuchungen durchgeführt wurden. Normalerweise wird die oberste Bodenschicht weggebaggert und untersucht, ob darunter Spuren von früheren Bewohnern zu finden sind. Archäologische Strukturen können z. B. Überreste von Behausungen oder Arbeitsstätten sein und sogar Gräber, die dann archäologisch geborgen und dokumentiert werden. Archäologische Ausgrabungen wurden erstmals vor der Errichtung des Umspannwerks 2006 durchgeführt, seitdem konnten immer wieder neue Siedlungsabschnitte erforscht werden. Der Großteil der Funde bestand aus Scherben, gefolgt von Muscheln und Tierknochen. Zahlenmäßig an letzter Stelle stehen die Funde aus Metall.
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Heute Umspannwerk, früher Siedlung, Produktionsstätte und Friedhof
Die Ausgrabungen, die zwischen 2020 und 2023 stattgefunden haben, zeigen, dass der Standort des Umspannwerks bereits in der Vergangenheit häufig von Menschen genutzt wurde. Die archäologischen Spuren reichen von den Römern bis in die Jungsteinzeit vor etwa 5500 Jahren zurück.
Projekt Roadmap
Entdeckung der Fundstelle
Ausgrabung eines römischen Gutshofs
Inbetriebnahme des Umspannwerks
Spatenstich für die erste Erweiterung des Umspannwerks
Entdeckung einer eisenzeitlichen Siedlung
Entdeckung eines bronzezeitlichen Gräberfeldes
Inbetriebnahme der neuen Anlagenteile
Beginn der archäologischen Voruntersuchungen für die zweite Erweiterung
Fortsetzung der Ausgrabungen an den bereits bekannten Fundstellen
Entdeckung eines bronzezeitlichen Gräberfelds und Ausgrabungen an bereits bekannten Fundstellen
Abschluss der Grabungsarbeiten und Spatenstich für die zweite Erweiterung
Geplante Inbetriebnahme der zweiten Erweiterung
Leben und Sterben in der Bronzezeit
Aus der ältesten Phase der Bronzezeit (2200-1600 v. Chr.) wurden Spuren einer Siedlung und eines Gräberfeldes gefunden. Die Spuren der Siedlung bestehen aus verschiedenen Gruben, welche Material für das Herstellen von Keramik oder dem Bau von Häusern lieferten. Die Beigaben der Gräber deuten aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunftsorte auf ein weitreichendes Netz der frühbronzezeitlichen Handelskontakte bis ins Baltikum.
Die „leeren“ Gräber von Sarasdorf
Insgesamt 28 Gräber bzw. leere Grabgruben wurden bei den Ausgrabungen entdeckt, denn nicht alle enthielten Skelette. Die Gruben, die für die Gräber angelegt wurden, waren rechteckig und oval. Organisches Material wie die Knochen der bestatteten Menschen erhalten sich oft nicht, weil die Grabgruben nicht tief gegraben wurden und der Erdboden ungünstig ist aufgrund seiner Beschaffenheit. Zum Beispiel, weil er in seiner chemischen Eigenschaft sauer ist oder die Zusammensetzung der Gesteine und Feuchtigkeit im Boden die Knochen zersetzen können. Aussagen über die Körperhaltung der Toten im Grab und Informationen zu den bestatteten Personen, wie etwa ihr Gesundheitszustand, sind deshalb nicht immer möglich. Diese Infos wären aber wichtig, um einen Eindruck über das Leben der Menschen in der Frühbronzezeit zu erhalten.
Was uns Grabbeigaben erzählen können
In den meisten Gräbern wurden ein oder mehrere Gefäße – wie Schalen, Krüge und Becher – gefunden. Diese konnten ursprünglich z. B. mit Flüssigkeit oder Nahrung gefüllt gewesen sein. Es könnten auch Gefäße wie aus geflochtenen Zweigen oder anderen organischen Materialen im Grab gewesen sein, diese erhalten sich aber fast nie über so lange Zeit.
Gelochte Muscheln bei der Auffindung
Gelochte Muscheln nach der Reinigung

Die Schmuckstücke in Form von Kettenanhängern.

Bling Bling. Auch heute noch werden Schmuckstücke über der Brust getragen, um Eindruck zu schinden, Foto: rodrigoferrari, CC BY-SA 2.0


Archäolog:innen geben Fundtypen, also z. B. unterschiedlich aussehenden Nadeln, selber Namen, oft nach Herkunft, oder in dem Fall wegen ihres Aussehens. Dies machen sie, weil man nicht weiß, wie die Menschen diesen Gegenstand damals bezeichnet hätten. Diese Schmucknadeln wurden verwendet, um Kleidungsstücke zu verschließen, wozu heutzutage Knöpfe und Reißverschlüsse dienen, Kopfbedeckungen oder Tücher am Kopf festzustecken oder um Frisuren zu fixieren. Sie könnte auch als reine Schmucknadel ins Haar gesteckt worden sein.


Solche Röllchen werden oft im Kopfbereich gefunden und werden daher als Haarschmuck interpretiert. Auch heute werden z. B. Dreadlocks oder Zöpfe mit verschiedensten Röllchen geschmückt.
Model 1: Bestattungssitten der bronzezeitlichen Sarasdorfer
- Bereits an der Erdoberfläche direkt unter dem Humus ist eine ovale Verfärbung zu sehen. Die Grösse und die Form sind typisch für eine Grabgrube und eine Orientierung des Grabes nach NO-SW zeichnet sich ab.
- Während der Ausgrabung kommt die Überraschung. Es zeichnet sich ein zweiter dunklerer Fleck ab. Die Grabgrube wird in einer Tiefe von 40cm abrupt schmaler. Darunter taucht die erste Bestattung mit vier Gefäßen auf.
- Insgesamt ist das Grab 60cm tief und unter der ersten Bestattung liegt noch eine zweite Person in Hockerlage.
- Ein besonderes Fundstück ist dieser Splitter eines Feuersteins, der aufgrund des Materials und der Größe auf die Herstellung von Steinwerkzeugen hindeutet.
Die Anthropologie (deutsch: Lehre des Menschen) bietet verschiedene Methoden, um menschliche Knochen zu analysieren und dadurch mehr über die Leben der Menschen von früher zu erfahren.
Nachdem die Skelette bei den Ausgrabungen vorsichtig dokumentiert und geborgen werden, werden die Knochen mit Wasser gereinigt.
Anschließend werden die Knochen aufgelegt, um sie genauer zu untersuchen.
Je nach Form, Größe, Wachstumsstadium oder auch Abnützungsspuren können Aussagen über das Sterbealter, das biologische Geschlecht und gewisse Krankheiten der Verstorbenen getroffen werden. So kann man über eine ovale Beinstellung feststellen, ob jemand oft mit Pferden geritten ist. Oder sogar über Abnutzungsspuren an den Gelenken ein körperlich anstrengendes Arbeitsleben ablesen, wie z. B. bei den Bestattungen bronzezeitlicher Bergleute in Hallstatt!
Model 2: Die Gesundheit der bronzezeitlichen Sarasdorfer
- Bei diesem Grab konnte trotz der schlechten Erhaltung noch die eindeutige Hockerstellung eines bestatteten Mannes identifiziert werden.
- Durch Wurzeln, Wasser und die Zusammensetzung der Sarasdorfer Erde war die Knochenoberfläche stark zerstört.
- Bei diesem Individuum handelt es sich um eine der vollständigsten Bestattungen aus Sarasdorf, und dies obwohl weniger als die Hälfte der Knochen erhalten geblieben sind! Die rot markierten Stellen zeigen die erhaltenen Skelettteile.
- Trotz der schlechten Erhaltung konnten die Anthropologinnen noch einige Fakten zum Gesundheitszustand der bestatteten Person rekonstruieren. Es handelt sich dabei um einen 25-35 Jahre alten Mann. Seine Knochen waren sehr robust und zeigten kräftige Muskelmarken. An Oberschenkeln fanden sich Spuren einer chronischen Entzündung der Knochenhaut. Auch war ein Vormahlzahn im Oberkiefer von massiver Karies befallen.
- Diese kugelige Tasse ist ein typisches Fundstück der Leithapodersdorfer Gruppe. Die Leithapodersdorfer Gruppe ist eine Kulturgruppe, die in der Region rund um Sarasdorf verbreitet war.
Leben im eisenzeitlichen Dorf – Über die Herstellung und das Recycling von Objekten
Die größte Fundstelle auf dem Gebiet des Umspannwerks war eine eisenzeitliche Siedlung (800 – 15. v. Chr.). Diese bestand aus mehreren Gebäuden, sogenannten Grubenhäusern, sowie Gruben und Bauten für die Produktion von Gütern für das tägliche Leben. Die eisenzeitlichen Bewohner:innen, die hier in den Jahrhunderten vor der römischen Besetzung lebten, sind unter dem Namen „Kelten“ bekannt.

Model 3: Überreste eines eisenzeitlichen Ofens
Wieder eine Grube?
In der Eisenzeit haben die Menschen für verschiedene Zwecke z. B. Entnahme von Erdmaterial oder zum Ablegen von Abfall Gruben angelegt. Diese runde Verfärbung im Boden deutet auf so eine Grube hin
Wer wird aus diesem Erdhaufen schlau?
Das geübte Archäologie Auge kann hier die Überreste eines eisenzeitlichen Ofens erkennen! Und zwar sieht man in der oberen Hälfte noch Teile der Kuppel und in der unteren Hälfte eine Trennplatte und die Reste der Feuergrube.
Lochplatte
Im Verlauf der Ausgrabung wurde dann auch noch ein Teil der Platte gefunden, unter der das Feuer brannte. Die kleinen grauen Löcher waren in der Eisenzeit noch nicht verfüllt und leiteten die Wärme hoch in den Brennraum.
Rekonstruktion
So könnte der Ofen in Benützung ausgesehen haben.
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Was bleibt über von eisenzeitlichen Häusern?
Eine weit verbreitete Hausform in der Eisenzeit war das Grubenhaus. Der Wohnbereich war im Boden eingegraben und hatte den Vorteil, dass man dadurch bereits eine Wandkonstruktion aus Erde hatte. Manche von ihnen besitzen einen seitlichen Eingang oder sogar einen Keramikbrennofen in ihrem Inneren. Da Bauteile wie das Dach aus Holz, Lehm und Schilf über dem Boden schon lange verwittert sind findet man nur noch den Hausboden. Darin findet man auch die Eintiefungen in die Erde, in der sich einst die jetzt verwitterten Holzpfosten befanden, die die Hauskonstruktion tragen sollten.


Auf dem Fundtisch landeten aus der eisenzeitlichen Siedlung Gegenstände aus dem täglichen Gebrauch aber auch Objekte, die wohl nicht bei der Verrichtung von schwereren Tätigkeiten genutzt wurden.

Über Recycling und Nachhaltigkeit in der Eisenzeit
Wir lernen heutzutage viel über Nachhaltigkeit, etwa, dass wir ressourcenschonend leben und Berge an Müll vermeiden sollten. Das bedeutet unter anderem, nicht alles wegzuschmeißen, was repariert werden kann oder was nicht mehr gefällt, auch wenn wir uns das vom Geld her leisten könnten. Dass in der Eisenzeit bereits versucht wurde, die Lebenszeit gewisser Objekte zu verlängern, zeigt das Auffinden von mehreren Scherben mit Reparaturspuren. Diese Menschen hatten aber andere Gründe Dinge zu reparieren als heute. Wertlose, kaputte Gegenstände oder Abfall wurde einfach in der Umgebung entsorgt, ohne dass Müllberge entstanden, da die meisten benutzten Materialien ohnehin verwesten. Es gab aber Materialien oder Gegenstände, die für die Menschen aufgrund ihrer Seltenheit oder aufwändigen Herstellung wertvoll waren. Das war damals wie heute sicher Gold, aber damals beispielsweise auch Glas oder Keramikgefäße aus hochwertiger Produktion. Daher nutzte man sicher einen Teil der Zeit, um wertvolle Gegenstände entweder zu recyclen oder zu reparieren. So wurden etwa Metalle wie Kupfer oder Gold mehrmals eingeschmolzen und weiterbenutzt oder schwer ersetzbare Gegenstände wie Keramikgefäße repariert oder deren Scherben durchlocht und als Spinnwirtel, also Gewicht für die Herstellung von Wollfaden benutzt.

Die römische Villa und eine mysteriöse Grabenanlage
Die Römer haben sich vor knapp 2000 Jahren in ganz Österreich ausgebreitet. Das heutige Sarasdorf lag in der Provinz Pannonien unweit der Grenze des römischen Reiches, dem sogenannten Limes. Bereits in früheren Ausgrabungen war in Sarasdorf ein römischer Bauernhof gefunden worden, der aus einem steinernen Gebäude und einer Holzpallisade bestand.
Die Archäologie wirft Rätsel auf
In einigem Abstand um das steinerne Gebäude finden sich mehrere zum Teil sehr riesige Grabenanlagen, welche ein Rechteck formen, dass etwa die Größe eines Fußballfeldes ergibt. Diese Gräben sind ein gutes Beispiel für die vielen Rätsel in der Archäologie – denn niemand weiß, wofür sie genutzt wurden. So kann man sich überlegen, was als Gebrauch dafür sinnvoll oder möglich ist: Vielleicht waren die Gräben wie ein Burggraben zum Schutz vor Angreifern da? Aber dies erscheint aufgrund der Ausdehnung nicht sehr sinnvoll… Vielleicht hat man hier das Grundstück so begrenzt, statt einen Zaun aufzustellen? Aber warum dieser Aufwand… Oder es wurde dafür angelegt, damit man Wasser von den Feldern abtransportiert, um Überschwemmungen zu verhindern? Aber warum würden dann solche Kanäle enden, ohne, dass sie sich fortsetzen, um in einem Gewässer zu münden? Hier erkennt man recht gut, dass selbst Strukturen, die in der Archäologie bekannt sind, oft mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben….
Ein römisches Kindergrab
Die Funde von Bestatteten Säuglingen sind sicher ein Relikt aus den traurigsten Momenten für Menschen der Vergangenheit, auf die ein Archäologe stößt. Heute ist die Kindersterblichkeit in Österreich sehr niedrig aufgrund von Verbesserten medizinischen Bedingungen während der Schwangerschaft, der Geburt und den ersten Monaten, in denen die Gesundheit von einem Kleinkind sehr heikel ist. Das hat sich erst mit der Zeit verbessert, früher war es leider üblich, dass ein viel größerer Teil der Säuglinge starb, weil es Probleme bei der Geburt gab oder Krankheiten nicht behandelt werden konnten. Die häufigen Todesfälle von Kleinkindern wurden häufig anders behandelt als bei älteren Personen, dafür gibt es auch ein Beispiel in Sarasdorf. Fast alle Tote wurden bei den Römern in einem Sarg, oder in Tücher gewickelt oder eingeäschert am Friedhof vor der Stadt begraben. Kleinkinder wurden aber oft als Ausnahme abseits des Friedhofs in der Siedlung oder sogar im Haus bestattet, vielleicht um diese zum Gedenken in der Nähe zu behalten. Manchmal wurden ihnen Spielsachen beigelegt. In Sarasdorf wurde ein Säuglingsskelett gefunden, das unter einem steinernen Bauteil eines Gebäudes beigelegt wurde.