Flexibilitäts- und Speicherbedarf im österreichischen Energiesystem
Kooperationsprojekt im Rahmen von zusammEn2040
Einordnung der Studie
Diese Studie wurde im Rahmen eines kollaborativen Projekts zwischen Austrian Power Grid (APG), dem Bundesverband Photovoltaic Austria, der Technischen Universität Graz und d-fine durchgeführt. Der methodische Rahmen wird durch ein sektorgekoppeltes europäisches Energiesystemmodell geschaffen, welches bei APG operativ und im Rahmen der Initiative zusammEn2040 eingesetzt und kontinuierlich weiterentwickelt wird. Mit Hilfe dieses Modells lassen sich Investitionen in das zukünftige Energiesystem unter der Prämisse minimaler Systemkosten analysieren und bewerten.
Hintergrund
Eine Kernsäule der schnell voranschreitenden Energietransformation ist die Elektrifizierung. Der zunehmend steigende Bedarf nach grüner elektrischer Energie für neue Abnehmer aus Industrie, Raumwärme und Warmwasserbereitstellung sowie Transport und Mobilität erfordert einen ambitionierten Ausbau erneuerbarer Energieträger, insbesondere von Wind und PV. Um diese volatilen Stromerzeugungstechnologien in das System zu integrieren, besteht zunehmender Bedarf Energie von Zeiten des Überschusses in Stunden mit hohem Bedarf zu verlagern. Zusätzlich müssen neue Flexibilitätsoptionen geschaffen werden, um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu ermöglichen.
Ziel und zentrale Fragestellungen
Der ganzheitliche Blick auf ein resilientes Energiesystem bildet die Basis der Analysen dieser Studie. Die zugrundeliegende Modellierung integriert daher alle Sektoren und Energieträger des Energiesystems. Im Fokus der Analysen stehen die Speicher- und Flexibilitätsbedarfe im zukünftigen Stromsystem Österreichs. In der Analyse werden die Jahre 2030, 2040 und 2050 modelliert, wobei eine regionale Differenzierung auf Bundeslandebene in der Modellierung und eine darauf aufbauende Analyse auf Bezirksebene erfolgt. Diese Herangehensweise ermöglicht es, räumliche Unterschiede sowie spezifische Transportbedarfe zu berücksichtigen. Ziel der Studie ist ein umfassender Überblick über notwendige Speicherleistungen, Sektorkopplungstechnologien und verstärkte Transportmöglichkeiten um kurz-, mittel- und langfristige Flexibilitätsbedarfe im zukünftigen Energiesystem zu decken.
Dafür wurden folgende zentrale Forschungsfragen analysiert:
Wie hoch ist der kurz-, mittel- und langfristige Flexibilitäts- und Speicherbedarf im zukünftigen Energiesystem und durch welche Technologien wird dieser gedeckt?
Welche systemweite Auswirkung haben Extremszenarien wie beschränkte Ausbaumöglichkeiten von Transportkorridoren oder Zeiten mit kalter Dunkelflaute?
Welche Rolle spielen zukünftig Haushalts-, Gewerbe und Industrie-Batteriespeicher und wie sind diese innerhalb Österreichs verteilt?
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Speicher sind essenziell für das Gelingen der Systemtransformation
Batteriespeicher werden mit insgesamt 8,7 GW (2,7 GW Großspeicher und 6 GW Kleinspeicher) zum Grundpfeiler für kurzfristige dezentrale Flexibilitäten in Österreich. Pumpspeicher gewinnen als flexible Allrounder eine stetig wachsende Bedeutung im Energiesystem.
Der nationale und internationale Stromtransport wird sich bis 2040 nahezu verdoppeln
Durch die Energietransformation, die fortschreitende Elektrifizierung und den Ausbau erneuerbarer Stromerzeuger gewinnt die Anbindung Österreichs an das europäische Verbundsystem weiter an Bedeutung. Der nationale und internationale Stromtransport wird sich bis 2040 nahezu verdoppeln. Ein entsprechend ambitionierter Netzausbau ist die Grundvoraussetzung dafür.
Das Übertragungsnetz ist eine wichtige Flexibilitätsoption und Netzausbau stabilisiert die Energiekosten langfristig
Der Netzausbau ist entscheidend für den Import von kostengünstigem Strom und die Integration erneuerbarer Energie. Wenn keine zusätzlichen Maßnahmen über den aktuellen Netzentwicklungsplan hinaus ergriffen werden, steigen die Stromkosten bis 2050 im Vergleich zu einem Szenario mit effizientem Netzausbau durchschnittlich um 13 Euro pro MWh. Angesichts der Stromnachfrage im Jahr 2050 können daraus jährliche Mehrkosten von bis zu 1,6 Milliarden Euro aufgrund fehlender Transportkorridore entstehen.
Die systemweite Preiswahrheit ist ein Anreiz für systemdienliches Verhalten
Wenn systemweite Preiswahrheit herrscht, folgen intelligente Verbraucher dynamischen Strompreisen und verschieben Lasten in Zeiten hoher Produktion durch Erneuerbare. Bei weitreichender systemweiter Preiswahrheit reagieren die Akteure dynamisch auf Preissignale und steuern die Bewirtschaftung von Anlagen im Einklang mit den Bedarfen des Gesamtsystems.
Die sichere Energieversorgung ist auch bei extremen Wetterereignissen gewährleistet
Selbst bei Dunkelflaute und Trockenheit bleibt die Energieversorgung in einem dekarbonisierten Energiesystem aufrecht. Engpässe werden durch den abgestimmten Einsatz regelbarer thermischer Kraftwerke, gezieltes Lastmanagement sowie den Strombezug aus Nachbarländern überbrückt. Dafür müssen räumliche, zeitliche und Sektor-übergreifende Flexibilitäten berücksichtigt und koordiniert eingesetzt werden.
Der untertägige Verlagerungsbedarf für elektrische Energie wird massiv steigen
Mit dem Fortschreiten der Elektrifizierung wird sich die installierte Stromerzeugungsleistung bis 2040 in etwa verdreifachen. Ein Großteil des Zubaus entfällt dabei auf erneuerbare Erzeugungsanlagen mit volatilem Erzeugungsprofil. Um dabei eine kosteneffiziente Energieversorgung sicherzustellen, müssen Energiemengen von Zeiten des Überschusses in Zeiten mit hohem Bedarf verlagert werden. Dieser Verlagerungsbedarf steigt besonders innerhalb eines Tages – also untertägig – bis 2040 auf das Sechsfache an. Der saisonale Verlagerungsbedarf wird sich bis dahin verdoppeln.